Frankfurts Lokaldichter Friedrich Stoltze hätte seinen berühmten Versen „Un es will mer net in mein Kopp enei, wie kann nor e Mensch net von Frankfort sei!“ eigentlich noch hinzufügen sollen: „un kaan Ebbelwei kenne!“
Denn: was ein „echter“ Frankfurter ist, der kennt natürlich sein Nationalgetränk: Äpfelwein. Und liebt ihn über alles. Und natürlich kennt er auch alle Äpfelweinlokale weit und breit, Hibbdebach, Dribbdebach und Drumherum. Selbstverständlich hat er auch sein Stammlokal, wo er dahaam ist und seinen angestammten Platz zur bestimmten Uhrzeit behauptet; der Wirt könnte seine Uhr danach stellen, so pünktlich stehen die Gäste vor der Tür.
Da die Frankfurter ein goldiges Gemüt haben, lassen sie auch die Fremden, die „Eigeplackte“, die „Messfremde“ und die „Zugelaafene“ sich bei ihnen am Tisch niedersetzen. Bald werden sie in das Gespräch einbezogen, denn der Frankfurter „babbelt“ gern. Mit „Ei gude – wo komme se denn her?“ wird die nun abendfüllende Unterhaltung eingeleitet, man rückt näher zusammen und nach etlichen Schoppen Äpfelwein wird immer lebhafter „schläächtgeschwätzt“ wie mit uralten Bekannten.
Der Äpfelwein gilt als anregendes, alkoholschwaches Getränk, das nicht müde macht, dabei Kreislauf und Nervensystem günstig beeinflusst. Er enthält organische Fruchtsäuren, Mineralien, Aromastoffe und natürlich mindestens 5 Vol.-Prozente Alkohol. Ohne Alkohol würde man ihn sicher nicht trinken.
Die Liebe zum „Stöffche“ (so nennt der Frankfurter nämlich seinen Äpfelwein) macht ihn sogar zum Allheilmittel für die seelische Erheiterung und als Regulativ für das körperliche Wohlbefinden. So meint es jedenfalls Emmerich Reeck: „Es Stöffche is für alles gut, es fegt de Mage, labt die Schnut!“. Und unser früherer Oberbürgermeister Walter Kolb sprach noch eine andere Wirkung an, als er vom Balkon des Römers verkündete: „Der Sachsehäuser Äpfelwein, der is und bleibt famos, dem einen geht er in den Kopf, dem anderen in die Hos!“. Dagegen sind die Erkenntnisse namhafter Professoren, die sie nach jahrelangen Untersuchungen an 200 Kurpatienten gewonnen haben, wissenschaftlich ernst zu nehmen. So wird unter anderem die gefäßerweiternde Wirkung, eine bessere Gehirndurchblutung und Verzögerung des Alterungsprozesses festgestellt. Jetzt wissen wir auch, warum so viele ältere, aber rüstige Äpfelweintrinker fröhlich bei ihrem Schoppen hocken. Sie trinken täglich ihre Medizin, zwar mäßig doch regelmäßig, je nachdem.
Seit über 250 Jahren ist der Äpfelwein in Frankfurt um Umgebung als das Volksgetränk“ bekannt. Seine Geschichte ist allerdings viel älter, den schon die Germanen stellten ihren „Ephiltranc“ her, Griechen und Römer kultivierten ihn und Karl der Große forderte in „Capitulare de villis“ die Herstellung an seinem Hof. Äpfelwein war der selbstgemachte Haustrunk für jedermann. Beim hochwohllöblichen Rat der Stadt und den reichen Bürgern wurde (Reben-)Wein, der vor den Toren der Stadt reichlich wuchs, getrunken. In den Gaststätten und Schenken wurde ebenfalls nur (Reben-)Wein ausgeschenkt, Bier und Branntwein spielten damals keine große Rolle. Erst nachdem durch langjährige kriegerische Unsicherheit die Weinkultur zurückging , Klimaveränderung und Reblausverheerende Schäden anrichteten, gewann der Äpfelwein zunehmende Bedeutung. Jetzt durfte er auch in den Gasthöfen und Schenken gewerblich ausgeschenkt werden. Schnell eroberte er sich die Gunst der Bürger und wurde das typische Frankfurter und hessische Volksgetränk. Anfangs in so genannten Heckenwirtschaften ausgeschenkt, breitete er sich auch in den konzessionierten Gaststätten aus. Viele Gärtner eröffneten Äpfelweinlokale. Aus dem jahrhundertealten Haustrunk wurde der öffentliche Ausschank mit behördlicher Genehmigung.
Vieles von dem, was damals war, hat sich kaum verändert. Und das ist auch gut so. Ein sicherer Garant dafür, das es auch in Zukunft so bleiben wird, ist die im Jahre 1919 gegründete Vereinigung der Äpfelweinwirte“. Geändert hat aber eines: der Geschmack. Heute bevorzugt der Äpfelweintrinker einen aromatischen und spritzigen Äpfelwein mit einer feinen Fruchtsäure, vor allem, nachdem auch die Frauen zu zunehmenden Maße Geschmack am Äpfelwein und seinem Milieu gefunden hat. Früher gingen bekanntlich die Herren allein zu ihrem Schoppen, nur sonntags durften auch die Frauen mit. Aber die Zeiten haben sich glücklicherweise geändert. Heute gehen die jungen Frauen und die ewig jung gebliebenen selbstverständlich auch allein zum Äpfelwein. In den Äpfelweinlokalen werden dazu überwiegend rustikale Gerichte gereicht. Aber auch Gebratenes, Gegrilltes und vegetarisches (für die ganz Ernährungs- und Figurbewussten) kommt mittlerweile auf den gedeckten Tisch des Hauses.
Kommt man als Fremder nach Frankfurt sollte man es nicht versäumen, in einem der echten Äpfelweinlokalen – man erkennt es am „grünen Kranz mit Bembel“, dem Symbol für die Mitgliedschaft in der „Vereinigung der Äpfelweinwirte“ – das „Stöffche“ zu probieren. Der erste Schluck mag manchmal etwas säuerlich schmecken. Doch dann, wenn Glas um Glas aus dem blaugrauen Steingutbembel eingeschenkt wird und die Runde der fröhlichen Zecher ihr Loblied auf das „Stöffche“ anstimmen, werden sie begeistert mitsingen. Und wenn auch noch unsere Frankfurter Äpfelweinkönigin sie einmal persönlich begrüßt, werden auch Sie sagen: „Frankfort beim Eppelwei, ach was biste so schee!“.
Möge der Äpfelwein auch in Zukunft das bekömmliche und preiswerte Volksgetränk bleiben. Wer den Hohenastheimer, wie ihn Stolze benannt hatte, als „Süßer“, „Rauscher“, „Neuer Heller“ oder „Alter“ jemals durch seine durstige Kehle hat rinnen lassen, geht an keinem grünen Kranz mit Bembel, dem Wahrzeichen eines renommierten Mitglieds der „Vereinigung der Äpfelweinwirte“ vorbei. Das war, ist und wird so bleiben.
Quelle: http://www.apfelweinwirte.de/apfelwein